Was bringt die Krankenhausreform für die Diabetologie?
Die Krankenhausreform, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf den Weg gebracht hat, soll die stationäre Versorgung und ihre Finanzierung grundlegend verändern. Was bedeutet das für die Diabetologie in Baden-Württemberg und welche Forderungen sind für die Diabetologen besonders wichtig. Diese Fragen haben wir an Thomas Boeer vom Diabeteszentrum Mergentheim gestellt, hier sind seine Antworten.
Welche Veränderungen wird / könnte die Krankenhausreform für die Diabetologie in BaWü mit sich bringen?
Die geplante Krankenhausreform in Deutschland, die auch Baden-Württemberg betrifft, zielt darauf ab, die Krankenhausstrukturen grundlegend zu verändern. Ein zentrales Element der Reform ist die Einführung von Leistungsgruppen und Vorhaltepauschalen, die die stationäre Versorgung entlasten und verbessern sollen.
Im Jahr 2024 leben in Baden-Württemberg schätzungsweise zwischen 700.000 und 900.000 Menschen mit Diabetes, wobei die meisten von ihnen an Typ-2-Diabetes erkrankt sind. Diese Zahl entspricht etwa 8,2 Prozent der Bevölkerung. Trotz der Fortschritte in der ambulanten Behandlung dieser Stoffwechselkrankheit bleibt die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung bestehen.
Insbesondere spezialisierte Diabetes-Fachkliniken nehmen sich dieser Herausforderung an und erfüllen dabei die strengen Anforderungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Mit oft nur einer Leistungsgruppe gewährleisten diese Akut-Krankenhäuser durch langjährige Kooperationen mit anderen medizinischen Fachbereichen eine umfassende Betreuung der Patienten vor, während und nach der Behandlung.
Wie beurteilen Diabetologen und Diabetesteams diese möglichen Veränderungen?
Die stationären Einrichtungen tragen wesentlich zur Aus- und Weiterbildung im Bereich Diabetologie und Endokrinologie bei, ein Bereich, in dem Universitätskliniken zunehmend weniger Angebote bereitstellen. Dies ist in Anbetracht einer Volkskrankheit eine sehr bedeutsame Aufgabe und muss bei den geforderten Qualitätskriterien zwingend Berücksichtigung finden. Um auch in Zukunft eine hochwertige, flächendeckende und den Bedürfnissen entsprechende Versorgung sicherzustellen, ist es entscheidend, dass die Kliniken eine verlässliche Zukunftsperspektive erhalten. Wenn durch die geplante Krankenhausreform beispielsweise korrespondierende Strukturmerkmale von Leistungsgruppen nicht durch Kooperationen ersetzt werden dürfen, droht ein Zusammenbruch der gesamten medizinischen diabetologischen Versorgung in Baden-Württemberg.
Gibt es konkrete Forderungen seitens der Diabetologie in BaWü?
Die Weiterbildung Diabetologe DDG muss zwingend in die Strukturmerkmale alternativ zum Facharzt Endokrinologie und Diabetologie aufgenommen werden, so wie dies seit langem bei OPS-Ziffern wie der multimodalen Komplexbehandlung Diabetes mellitus oder im Rahmen der DMP-Diabetes-Programme als Zusatzweiterbildung „Diabetologie“ im niedergelassenen Bereich realisiert ist.
Ferner betreffen folgende Forderungen auch die medizinische Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus:
- Finanzierung und Refinanzierung: Eine umfassende Refinanzierung der Betriebskosten, insbesondere einen Inflationsausgleich für die Jahre 2022 und 2023 sowie die vollständige Refinanzierung der Personalkostensteigerungen.
- Qualitätsorientierung und Leistungsgruppen: Die Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen müssen realistisch und umsetzbar sein, ohne die Versorgungslandschaft negativ zu beeinflussen.
- Strukturwandel und Zentralisierung: Moderne Ansätze wie telemedizinische Netzwerke sollen stärker berücksichtigt werden.
- Bürokratieabbau: Eine Reduzierung der Bürokratie und eine Vereinfachung der Regulierungen, um die Effizienz zu steigern und Fehlanreize zu vermeiden.
- Sektorenübergreifende Versorgung: Aufbau von sektorenübergreifenden Angeboten, um die Qualität und Effizienz der in der Versorgung von Menschen mit Diabetes zu verbessern.
- Planungssicherheit und Investitionen: Eine verlässliche Planungssicherheit und ausreichende Investitionen, um die langfristige Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das Land muss seine Verantwortung für die Investitionsfinanzierung ausreichend wahrnehmen.
In welcher Phase steht die geplante Reform aktuell und was sind die nächsten Schritte?
Das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf zur Krankenhausreform am 15. Mai 2024 verabschiedet.
Bis 2025 müssen die Bundesländer die landesrechtlichen Anpassungen für die Leistungsgruppen-vergabe schaffen.
Ab 2026 sollen den Krankenhäusern krankenhausindividuelle Vorhaltebudgets ausgezahlt werden und das Finanzierungssystem soll bis 2027 komplett umgestellt sein.
Thomas Boeer, Diabeteszentrum Mergentheim
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