Erfahrungsbericht Diabeloop
Seit Mitte des Jahres ist eine weitere Hybrid-AID-Pumpe (AID = Automatische Insulin-Dosierung) auf dem deutschen Markt verfügbar.
Hierbei handelt es sich um ein System, welches aus folgenden Komponenten besteht:
Der Insulinpumpe Accu chek Insight, dem Dexcom G6 und dem DBLG1 Algorithmus (DBLG1 DiaBeLoop Generation 1), welcher sich im HandSet befindet. Das HandSet ist das Empfänger- und Steuergerät für Insulinpumpe, CGM und Loop-Modus. Ist der Loop-Modus On, erhält es im 5-Minutentakt Glukosewerte vom Sensor und passt die Insulinzufuhr entsprechend an.
Dieses System kann sowohl von Patienten genutzt werden, die komplett neu auf eine Insulinpumpe eingestellt werden als auch bei einem Insulinpumpenwechsel.
Um starten zu können, bedarf es der Eingabe folgender Parameter:
- Die Tagesgesamtdosis an Insulin (Durchschnittsmenge der letzten 7- 14 Tage)
- Das aktuelle tatsächliche Körpergewicht
- Die durchschnittliche Kohlenhydratmenge zu den Mahlzeiten
- Sowie eine Sicherheitsbasalrate
Im nächsten Schritt lassen sich der persönliche Zielwert (zwischen 100 - 130 mg/dl/ 5,5 - 7,1 mmol/l) und die Hypoglykämiegrenze (zwischen 60 - 85 mg/dl/3,3 - 4,7 mmol/l) definieren. Theoretisch genügen diese Einstellungen, um in Loop On gehen zu können. Es hat sich jedoch bewährt, die Sicherheitsbasalrate vor Start des Loop-Modus mittels Basalratentest auf den Prüfstand zu stellen. Nur so kann gewährleistet werden, dass bei einer Unterbrechung des Loop-Modus eine bedarfsgerechte Insulinabgabe stattfindet.
Anhand der zu Beginn eingegebenen Daten (Tagesgesamtdosis, Körpergewicht und den durchschnittlich verzehrten Kohlenhydraten je Mahlzeit) berechnet der Algorithmus die Insulineinheiten für die Mahlzeiten und „Basal“. Die Insulinmenge wird gleichermaßen, also 50% auf Basalrate, 50% auf die Mahlzeit aufgeteilt.
Im weiteren Verlauf wird die Insulinabgabe unter Berücksichtigung vieler Faktoren berechnet. Der Dexcom G6 überliefert alle 5 Minuten einen neuen Wert an das HandSet. Der Algorithmus ermittelt zum einen die Differenz zum persönlichen Zielwert, berücksichtigt aber auch die Basalrate, vorhandene Korrektur- oder Mikroboli, das aktive Insulin, sowie den zukünftigen Verlauf mit Hilfe des Trendpfeils. Sowohl die Berechnung als auch die Anpassung der Insulinmenge findet in diesen 5-minütigen Rhythmen statt.
Befinden sich die Glukosewerte im Zielbereich, welcher mit der Hypoglykämiegrenze und der Hyperglykämiegrenze definiert ist, so wird die Basalrate angepasst, um den persönlich angestrebten Zielwert zu erhalten. Bei erhöhten Glukosewerten soll eine Erhöhung der Basalrate in Kombination mit Mikroboli helfen, die Glukosewerte zu senken. Ist der Glukosewert zu niedrig, so wird die Basalrate reduziert bis maximal 0% und bei Bedarf die Einnahme von Notfall-KE empfohlen. Die Menge der empfohlenen Notfall-KE wird primär anhand des Körpergewichts ermittelt, was in Relation zur Insulinmenge die Insulinsensitivität spiegelt.
Steht eine Mahlzeit bevor, sollte diese Information der Pumpe mitgeteilt werden. Die Mahlzeiten lassen sich semiquantitativ eingeben, hierfür stehen die Rubriken (klein/mittel/groß) zur Wahl. Hinter jeder Rubrik steckt die persönlich zuvor definierte Kohlenhydratmenge des Anwenders, die sich der tatsächlich verzehrten Kohenhydratmenge anpassen lässt. Es hat sich bewährt, die Mahlzeitenmenge möglichst genau einzugeben und auch anzukündigen (z.B. 15 Minuten im Vorfeld), damit sich der Algorithmus auf den nun kommenden Glukoseanstieg vorbereiten kann. Auch weitere Betätigungen, wie körperliche Aktivität, sollten eingegeben und am besten angekündigt werden.
Der Algorithmus passt dementsprechend den Zielwert um +70mg/dl/3,9 mmol/l an und beachtet überdies den Muskelauffülleffekt. Beim Start mit dem DBLG1 ist der Fokus auf die Vermeidung von Unterzuckerungen gerichtet.
Insgesamt verfügt das System über 3 „Lernstufen“.
- Hypoglykämievermeidung
- Kurzfristiges Lernen
Grundlage sind die Daten der letzten Stunden, die aktuellen CGM-Werte, Basis- und Bolusinsulinmenge plus weitere individuelle Faktoren - Langfristiges Lernen
Historische Daten werden analysiert und auch im kurzfristigen Lernen angewandt, um die Therapie zu verbessern.
Um ein optimales langfristiges Lernen zu gewährleisten, sind diese Eingaben zwingend erforderlich. Im DBLG1 befinden sich zusätzliche Features, wie der ZEN-Modus und die Möglichkeit der Eingabe einer fettreichen Mahlzeit. Mittels ZEN-Modus lässt sich der Zielwert für bis zu acht Stunden um 10 - 40 mg/dl /0,5 - 2,2 mmol/l nach oben anpassen. Besonders geschätzt wird der ZEN-Modus, wenn eine Hypoglykämievermeidung im Vordergrund steht. Beispielsweise bei wichtigen Meetings oder bei längeren Autofahrten. Wird bei einer Mahlzeiteneingabe fettreich gewählt, wird der Bolus gesplittet und in einem Abstand von einer Stunde abgegeben.
Hinter der einfachen Eingabe der Eingangsparameter (Tagesgesamtdosis, Körpergewicht, Sicherheitsbasalrate), sowie den weiteren Funktionen steckt ein durchaus komplexes System. Die Algorithmen benötigen Zeit, um den individuellen Bedürfnissen eines jeden Nutzers gerecht zu werden.
Erfahrungsgemäß erwarten Patienten zu frühzeitig zu viel vom Loop-Modus.
Es hat sich bewährt, sich selbst zurückzunehmen und dem Loop zu „vertrauen“, damit dieser unbeeinflusst arbeiten kann. Erst nach einer Beobachtungsphase von 4-6 Wochen sollten weitere Instrumente zur Verfeinerung der Glukoseeinstellung in Anspruch genommen werden. Hierzu zählen die Aggressivitätsfaktoren. Die Aggressivitätsfaktoren gibt es für die Bereiche Normglykämie, Hyperglykämie und die Mahlzeiten. Anwender nutzen dieses Tool, um ihre individuellen „Diabetesproblemzonen“ mit Insulin zu entlasten oder zu verschärfen. Die Grundeinstellung liegt bei 100%. Eine Modifizierung um +/- 10 % zur Korrektur der Therapieeinstellung wird angeraten. Anschießend bedarf es erneut einer „Wartezeit“ von mindestens 3 - 4 Tagen. In manchen Fällen werden zu viele und/oder zu spät Notfall-KE vorgeschlagen.
Es steht zur Option, diese Aufforderung anzunehmen, abzulehnen oder anzupassen.
Durch Anpassung des Hypoglykämieschwellenwertes lässt sich der Zeitpunkt und die Menge der vom System vorgeschlagenen Notfall-KE beeinflussen. Eine Erhöhung des Schwellenwertes führt zu einem frühzeitigeren Vorschlag der Notfall-KE, was bewirkt, dass die einzunehmende Kohlenhydratmenge meist geringer ausfällt. Eine Senkung des Hypoglykämieschwellenwertes erzielt das Gegenteil in beiden Bereichen.
Die Eingabe aller relevanten Informationen ist zentrales Element der AID Systeme, damit diese langfristig und adäquat lernen können. Nutzer, die bewusst Fehlinformationen eintragen, um dem Glukoseverlauf vermeintlich zu perfektionieren, haben infolgedessen meist mit immensen Glukoseschwankungen zu kämpfen.
Die Anforderungen sind gigantisch und können zu Beginn meist nicht direkt erfüllt werden. Vor allem, weil die Vermeidung von Unterzuckerungen im Fokus des DBLG1 steht. Entscheidend ist nun, nicht überstürzt die Einstellungsparameter oder gar Aggressivitätsfaktoren zu modifizieren. Eine Beobachtungsphase ist erforderlich, um dem langfristigen Lernen eine Chance zu geben. Auf diese Weise lassen sich relevante Muster erkennen und bestmöglichste Ergebnisse erzielen. Werden wiederholt in zu kurzen Abständen Änderungen vorgenommen, kommt es zu einer Art „Fehlsteuerung“ des Systems, was wenig effizient ist.
Wann sollen Änderungen der Einstellungsparameter vorgenommen werden?
Anfangs ist immer ein Check-Up der Einstellungsparameter sinnvoll. Stimmt die durchschnittliche Tagesinsulinmenge mit der Realität überein? Hat sich das Körpergewicht um mehr als 10% verändert? In beiden Fällen werden sofortige Anpassungen empfohlen. Durch die Änderung der durchschnittlichen Tagesinsulinmenge lernt das System von neuem.
Um die Daten und die Verläufe fachkundig zu analysieren, hilft die Plattform YourLoops. Jeder Patient besitzt dort mit Erstinbetriebnahme des HandSets und der damit verbundenen Registrierung einen Account. Die Werte lassen sich über die Cloud mit Diabetesteams teilen. Über die Funktion der Kommentare können Tipps und Ideen zur Verfeinerung der Therapie eintragen werden. Durch die Visualisierung der Verläufe lassen sich gezielte Anpassungen vornehmen. Wird das DBLG1 gekonnt eingesetzt und die Anwender über die Technik, ihre Möglichkeiten und die Anpassungsstrategien informiert, steckt viel Potenzial in den Systemen.
Juliane Steffan
Diabetesberaterin DDG
Diabetes-Klinik Bad Mergentheim
Foto: Shutterstock
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