Hecker-Symposium

Rund 200 interessierte Teilnehmer beim Hecker-Symposium 2024

Am 24. Februar 2024 fand in Stuttgart im Genohaus zum 18. Mal das Hecker-Symposium statt. 200 Teilnehmer nahmen in diesem Jahr an der Veranstaltung teil, das Thema „Das erste Jahr der Diabeteserkrankung“ stieß also offensichtlich auf Interesse. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von Herrn Dipl. Psych Bela Bartus aus Reutlingen, Herrn Prof. Reinhard Holl aus Ulm und Frau Dalinger von der Stiftung Dianiño organisiert und von der ADBW unterstützt.

Im ersten Vortrag schilderte Herr Oberarzt Semik Khodaverdi aus Hanau die Situation von Familien nach der Diagnose „Typ-1-Diabetes“ und den nachfolgenden Tagen in der Klinik. Er hat extra für diesen Vortrag hierzu eine Umfrage unter seinen Patienten durchgeführt, was dem Thema eine besondere Authentizität verschaffte. Die Erwartungen der Familien, aber auch die Möglichkeiten einer großen Kinderklinik wurden aus erster Hand dargestellt.

Anschließend berichtete Herr CA Dr. Lutz Feldhahn aus Böblingen über aktuelle Rahmenbedingungen und Zukunftsaussichten von Kinderkliniken in Baden-Württemberg und Deutschland – ein Vortrag der viel Nachdenklichkeit auslöste. Insbesondere die Verzahnung von stationärer und ambulanter Behandlung und – gerade bei Manifestation des Typ-1-Diabetes bei Kindern ja entscheidende – Notfallbetreuung wurden angesprochen. Personalmangel, fehlender Nachwuchs und Finanzierungsprobleme wurden angesprochen, aber auch die Themen „Digitalisierung“ und „Telemedizin“.

Frau Dr. Ulrike Kilic, Kinderärztin und Funktionsoberärztin für Familienpsychosomatik an der Universitätskinderklinik Gießen, ging anhand einer eindrucksvollen Kasuistik auf die Familiendynamik und mögliche Interventionsansätze ein. Ihr Fazit: Diabetesmanagement in der Pädiatrie ist immer massivste Familienarbeit! Patient, Familie und Arzt müssen mit Niederlagen leben, die Beziehung muss Krisen aushalten, eine annehmende Grundhaltung ist die Voraussetzung.

Herr Benjamin Beyer engagiert sich für die Stiftung Dianiño und berichtete über die tägliche Arbeit der Stiftung. Häufige, aber auch ungewöhnliche Situationen, in denen die Stiftung um Hilfe gebeten wird, wurden vorgestellt. Auch der Ablauf einer Anfrage an die Stiftung wurde vorgestellt und mit den Zuhörern besprochen.

Nach der Kaffeepause stellte Herr Dipl.Psych Dr. Berthold Maier von der Diabetesklinik in Bad Mergentheim die Frage, wie wir Patienten und Familien ab der Diagnosestellung unterstützen können. Den Zeitpunkt der Diagnosestellung, Erst- und Folgeschulungen, aber auch die spezielle Situation von Jugendlichen und Eltern an Diabetes erkrankter Kinder stellte er aufgrund seiner langen praktischen Erfahrung in Bad Mergentheim dar. Am Ende ging er auch auf online-Hilfen ein, die möglicherweise in Zukunft eine größere Bedeutung erhalten könnten. Alle Folien, aber auch weitere relevante Dokumente, stellte Herr Maier auf einem “padlet“ allen Teilnehmern zur Verfügung.

Frau Dr. Nicole Prinz war leider aus persönlichen Gründen verhindert. Reinhard Holl übernahm den Vortrag und ging auf die zunehmende Inzidenz des Typ-1-Diabetes und den rasch steigenden Einsatz von Diabetes-Technologie bei pädiatrischen Patienten mit Typ-1-Diabetes ein. Bereits im ersten Jahr der Erkrankung werden Sensor, Pumpe und AID breit eingesetzt, der Anstieg in den nachfolgenden Jahren ist eher gering. Der Vorteil des frühen Beginns einer Insulinpumpentherapie konnte mit DPV-Daten auch publiziert werden (Kamrath, Lancet Child Adolescent Health 2020). Der letzte Teil des Vortrags ging auf akute Diabeteskomplikationen wie schwere Hypoglykämien ein: deren Häufigkeit hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert!

Frau PD Dr. Johanna Hammersen von der Universitätskinderklinik in Erlangen ging auf die Entstehung und die frühe Diagnose des Typ-1-Diabetes ein. Patienten mit früher Diagnose, also ohne diabetische Ketoazidose und mit nur wenig erhöhten HbA1c-Werten, haben über die ersten drei Jahre bessere Stoffwechselergebnisse (HbA1c), aber auch weniger Gewichtszunahme nach Beginn der Insulintherapie. Im Versorgungsalltag (häufig fachfremder Notdienst, Hürden bei der Erreichbarkeit medizinischer Betreuung) zeigt sich leider, dass die frühzeitige Diagnose oft versäumt wird und Kinder oder Jugendliche mit sehr hohen HbA1c-Werten oder gar erst in der diabetischen Ketoazidose diagnostiziert und behandelt werden.

Nach der Mittagspause (die Maultaschen mit und ohne sind beim Hecker-Symposium mittlerweile Standard) ging Frau Dr. Alena Thiele, Ernährungswissenschaftlerin von der Uni-Kinderklinik Leipzig, auf die aktuellen Ernährungsempfehlungen für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes ein. Zwar gilt heute „…alles ist erlaubt. Es gibt keine Verbote.“, aber dennoch sollten Betroffene in Lebensmittelauswahl und Mahlzeitenstruktur geschult werden. Schulungsthemen wurden mit praktischen Beispielen vorgestellt und auch der Einsatz von Apps zur Kohlenhydratberechnungwurde vorgestellt. Anhand eines praktischen Beispiels wurde auf Risiken einer low-carb-Ernährung bei Typ-1-Diabetes hingewiesen.

Herr Dr. Fred Hunkert, Scheidegg und Bad Kösen, ging auf Besonderheiten des ersten Jahres der Diabeteserkrankung anhand des bio-psycho-sozialen Modells ein und erläuterte, wann eine Reha-Behandlung auch sehr früh im Verlauf der Diabeteserkrankung Sinn macht. Änderungen im Reha-Antragsverfahren, z.T. durch das Flexirentengesetz ermöglicht, wurden besprochen und mit einem Fallbericht praktisch vermittelt.

Frau Dr. Elke Müller-Roßberg aus Esslingen stellte vier spannende und absolut ungewöhnliche und damit lehrreiche Fälle aus ihrer täglichen Praxis an der Kinderklinik vor. Darunter Fallberichte mit teils überraschenden Wendungen, an die auch der Berichterstatter zunächst nicht gedacht hätte. Frühe Diagnose/Therapiebeginn, Mody-Polymorphismus oder Typ-2-Diabetes, schwieriges Familienumfeld und „Ohrlochstechen bei Diabetes“ wurden angesprochen.

Den Abschluss machte Dipl.Psych Bela Bartus mit einem Blick zurück und einem Blick in die Zukunft der therapeutischen Unterstützung für Familien mit einem neu an Diabetes erkrankten Kind. Welche Bedürfnisse haben Kinder mit neu diagnostiziertem Diabetes? Wie sollte die Struktur der psychologischen Betreuung aussehen? Zum Abschluss zeigte er den Titel eines Kongressbeitrags, den er vor 30 Jahren zusammen mit Dr. Wolfgang Hecker auf dem St. Vinzent-Deklaration-Kongress in Athen gehalten hatte: „Identification, referral and treatment of mental and behavioral disorders in children and adolescents with IDDM by an interdisciplinary team”. Wenn IDDM durch T1D ersetzt wird, dann ist das Thema heute genauso aktuell wie damals.

Die Veranstaltung war von einer Industrie-Ausstellung mit 13 Firmen begleitet – alle Stände wurden von den Teilnehmern in den Pausen intensiv besucht. Den Veranstaltern kamen nur positive Rückmeldungen über das diesjährige Hecker-Symposium zu Ohren, so dass geplant ist, die Veranstaltung auch im Jahr 2025 stattfinden zu lassen.

Photos: Christian Hecker