Viele Besucher und intensive Diskussionen beim Weltdiabetestag
Alle 6 Sekunden stirbt weltweit ein Mensch an diabetesbedingten Komplikationen. Bei der Aufnahme in eine Klinik haben 30% der Patienten auch Diabetes als Diagnose. Dieser riesigen Herausforderung stehen immer weniger diabetologisch qualifizierte Ärzte und Fachkräfte gegenüber, nur 17% der Kliniken in Deutschland sind ausreichend diabetologisch qualifiziert. Schon diese wenigen Zahlen zeigen den Ernst der Lage und boten mehr als genug Gesprächsstoff bei der diesjährigen Veranstaltung von ADBW und DBW zum Weltdiabetestag am 14. November in Stuttgart. Mit auf dem Podium saßen Sozialminister Manne Lucha und der AOK-Vorsitzende Johannes Bauernfeind. Impressionen von diesem Tag finden Sie in unserer Bildergalerie.
Viele Patientinnen und Patienten waren ins Haus der Wirtschaft gekommen und nutzten das vielfältige Informationsangebot rund um Diabetes. Neben einer Industrieausstellung luden drei parallele Seminare zur Teilnahme ein. Dr. Astrid Tombek beschrieb, wie gesunde Ernährung bei Diabetes konkret aussehen und auch gut schmecken kann. Dr. Stefan Gölz erläuterte die kontinuierliche Glukosemessung mit Glukose-Sensoren und zeigte, wie man die Ergebnisse lesen und nutzen kann. Und schließlich ging es im dritten Seminar mit Dr. Bernhard Walter um Sport bei Diabetes und wie der Weg dahin gut motiviert beschritten wird.
Höhepunkt des Tages im vollbesetzten Berta-Benz-Saal waren die Impulsvorträge von Experten, Politik und Kassen sowie die anschließende Diskussion auf dem Podium. Moderiert wurde diese Publikumsveranstaltung vom ADBW-Vorsitzenden Prof. Ralf Lobmann. In ihrem Statement brachte Prof. Monika Kellerer, Past-Präsidentin der DDG, die klinische Perspektive mit klaren, ernüchternden Worten auf den Punkt. „Der Diabetologie in den Kliniken geht es schlecht.“ Als Konsequenz haben Menschen mit Diabetes ein deutlich schlechteres Outcome als andere Indikationen. Die DRG´s lenken die Vergütung verstärkt hin zur Kardiologie, Onkologie oder Nephrologie während Diabetologie und Rheumatologie ausbluten.
Die DBW-Vorsitzende Helene Klein stellte die berechtigten Forderungen der Betroffenen nach einer guten Diabetesversorgung überall in Baden-Württemberg heraus, auch in ländlichen Gebieten und für kleinere Patientengruppen, etwa die Kinder oder die zunehmende Zahl von alten Menschen mit Typ-1-Diabetes. Vor allem aber präsentierte sie die Arbeit und die Angebote der Selbsthilfe, etwa DIAschulisch zur Unterstützung von Kindern, die Arbeit der Wieland-Stiftung in Betreuungs-und Pflegeeinrichtungen, die Sozialreferenten und Diabetes Guides sowie die vielen Aktionen zur Diabetesaufklärung und Prävention. Am Ende zog sie ein klares Fazit: „Die Selbsthilfe leistet einen wichtigen Beitrag zur Diabetesversorgung. Dafür braucht sie Hilfe von Politik, Kassen und Gesundheitsprofis. Ohne Geld und gute Rahmenbedingungen kann die Selbsthilfe ihr Potential nicht voll entfalten.“
Dr. Wolfgang Stütz, Vorstandsmitglied der ADBW, gab einen Einblick in seine mittlerweile 25-jährige Tätigkeit als niedergelassener Diabetologe. Am Beginn seiner Laufbahn 1998 gab es kaum Strukturen zur ambulanten Diabetesversorgung. Heute versorgen die niedergelassenen Diabetologen zusammen mit den Hausärzten das Gros aller Patientinnen und Patienten. In den Schwerpunktpraxen werden auch Patienten mit Komplikationen ambulant behandelt und modernste Diabetestechnologien eingesetzt. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die jedoch für die Zukunft keineswegs gesichert ist. Zwar steigt die Vergütung aktuell um 3,8%, aber die Kosten steigen aufgrund von Inflation und Personalknappheit deutlich stärker. Zudem wandeln sich Erwartungen und Haltungen jüngerer Kolleginnen und Kollegen zu ihrem Berufsleben. „Wir können uns die alten Zeiten nicht zurück wünschen. Die Diabetologie verändert sich und es wird schon ein Erfolg sein, wenn wir Umfang und Qualität der heutigen Versorgung erhalten können,“ so sein Ausblick.
Der Sozialminister in Baden-Württemberg, Manne Lucha, war wieder einmal zum Weltdiabetestag gekommen und verdeutlichte schon mit seinem Besuch, wie wichtig die Diabetesversorgung in den Augen der Politik ist. In Richtung Kliniken wies er darauf hin, dass im Kabinett jüngst im August eine Akuthilfe von 126 Millionen Euro bewilligt wurde, um die finanzielle Lage der Krankenhäuser zu stabilisieren. Für die Zukunft komme es jetzt auf eine gelingende Krankenhausreform an, damit die stationäre Versorgung auf Dauer auf hohem Niveau gesichert werden kann. Ein entscheidender Hebel könne dabei die Sektorenübergreifende Versorgung sein, die in verschiedenen Modellprojekten erprobt wird. „Wir brauchen auch in der Gesundheitspolitik eine Lebensweltorientierung statt reiner Maximalforderungen. Gerade beim Diabetes sind sowohl Verhaltens- als auch Verhältnisprävention notwendig. Gleichzeitig sehen wir etwa beim veggie day die heftigen gesellschaftlichen Diskussionen und dürfen heute in einer Welt voller Veränderungen die Menschen nicht überfordern.“ Minister Lucha unterstrich die Bedeutung der Hausärzte, die einen Großteil der Versorgung leisten und 97% der Typ-2-Diabetiker betreuen. ADBW und DBW rief er dazu auf, ihre Forderungen und Konzepte immer wieder über die Gesundheitskonferenzen und Pflegekonferenzen einzubringen und so gemeinsam die Gesundheitsversorgung der Zukunft zu gestalten.
In seinem Vortrag ging der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Johannes Bauernfeind, auf die epidemiologischen Entwicklungen in unserer Gesellschaft ein. Übergewicht und Adipositas sind allgegenwärtig und in der Folge steigt die Zahl der Menschen mit Diabetes Typ 2 und immer mehr jüngere Menschen entwickeln einen Diabetes. Um die Diabetesversorgung auch in Zukunft zu sichern, sind daher Prävention und Reduktion von Übergewicht und Adipositas von größter Bedeutung. Die AOK hat eine ganze Reihe von Angeboten entwickelt, um hier gegenzusteuern, so etwa STARKIDS für adipöse Kinder und Jugendliche oder den Online Coach Diabetes. Die AOK setzt 300 eigene Präventionsfachkräfte in Baden-Württemberg ein, die zu den wichtigsten Themen überall im Bundesland unterwegs sind. Zum Zusammenspiel von ambulanter und stationärer Versorgung sagte er, dass viele Diabetespatienten beim Hausarzt gut aufgehoben seien und nicht dauerhaft an Spezialisten delegiert werden müssen. Zugleich erfordern sich verändernde Leistungsanforderungen auch neue Leistungsgruppen, etwa Komplexe Versorgung bei Diabetes und Endokrinologie. Wichtig sei vor allem, die Sektorengrenzen durchlässiger zu gestalten und so eine jeweils bedarfsgerechte Betreuung zu ermöglichen. Die AOK sieht die wichtige Aufklärungsfunktion der Selbsthilfe und unterstützt die Diabetiker Baden-Württemberg mit 160.000 Euro im Rahmen der Pauschalförderung der Kassen. Das ist die dritthöchste Fördersumme im Bereich der Selbsthilfe. Gleichzeitig müsse die AOK auch Unterstützungsanfragen ablehnen, etwa für den Gesundheitstag, weil sie bei der Mittelvergabe eng an ihren Kassenauftrag gebunden ist.
Mit auf dem Podium saß auch der Vorsitzende des Sozialausschusses im Landtag Baden-Württemberg, der SPD-Abgeordnete Florian Wahl. Er strich sehr klar heraus, was in den letzten Jahren durch die gute Kooperation des Sozialausschusses mit ADBW und DBW für die Diabetesversorgung erreicht werden konnte. Aus seiner langjährigen politischen Erfahrung hob er den Kostendruck als wesentliches Hemmnis bei der Umsetzung guter Ideen und Konzepte hervor. Alle Gesundheitsbereiche haben Forderungen, angesichts knapper Mittel bedeutet Priorisierung auch, dass Diabetes manchmal hintan stehen muss. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Patienten, Ärzte und Diabetesfachkräfte ihre berechtigten Anliegen immer wieder gemeinsam formulieren und auf die politische Agenda bringen. So wie bei diesem Weltdiabetestag.
Zum Abschluss der prall gefüllten, zweistündigen Gesprächsrunde dankte der ADBW-Vorsitzende Prof. Lobmann allen Teilnehmern und Gästen für ihr Kommen und für den respektvollen Austausch zum Wohle aller Betroffenen.
Zum Thema kardiovaskuläre Risikofaktoren rund um den Diabetes finden Sie hier auch ein kurzes Video-Statement mit dem ABDW-Vorstandsmitglied Dr. Holger Lawall.
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